Situation der Landwirtschaft im Allgemeinen und speziell in Vill
Die Landwirtschaft in Europa befindet sich seit längerem einer Krise. Produktionskosten, die höher sind als der Erlös vom Produkt. Die Standards zur Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten sind sehr hoch und müssen – nach Vorgabe der EU – auch eingehalten werden. Standards, die viel höher sind als in Kanada oder USA. Eine Freihandelszone ist grundsätzlich zu begrüßen, aber für uns Bauern sicher fatal. In Österreich gilt vorwiegend gentechnikfreie Fütterung, hohe Anforderung der Hygiene und Lebensmittelsicherheit. Sollte TTIP und CETA in Kraft treten, bleibt der hohe Standard unserer Produkte wohl bestehen, aber wir sind mit unseren Lebensmitteln in keinster Weise konkurrenzfähig. Zudem öffnet sich die Preis-Kosten-Schere in der Landwirtschaft immer mehr.
Ein Beispiel:
In den 60er Jahren konnten die Stallbaukosten für eine Kuh mit Jungtier mit dem Verkauf von ca 5.000 l Milch oder 20 fm Holz oder ca. 1,5 Kalbinnen verdient werden. Heute benötigt es für dieselbe Investition den Verkauf von ca. 75.000 l Milch oder 360 fm Holz oder 20 Kalbinnen.
Ähnliches gilt für die Außenwirtschaft wie Motormäher oder Traktoren. Ausgehend vom Basisjahr 1995 stieg im Österreichschnitt der Index der Einnahmen (incl. öffentlicher Gelder) bis zum Jahr 2015 lediglich um 9%, jener der Ausgaben hingegen um 51%! Auf den Bauernhöfen werden die familieneigenen Arbeitskräfte weniger. Dies muss durch Maschinen ausgeglichen werden, vor allem bei Nebenerwerbslandwirten, damit die Arbeit zu Hause schnell erledigt ist, um einem außerlandwirtschaftlichen Beruf überhaupt nachgehen zu können (Zeitfaktor). Dies bedeutet aber eine enorme Doppelbelastung (Arbeit – Samstag – Sonntag – kein Urlaub etc). Manche Junglandwirte erlernen einen Beruf, studieren oder gehen Lastwagenfahren und sperren daheim die Stalltür zu. Dies bedeutet weniger insgesamt, aber auch weniger Rinder auf den Almen. Die Verbuschung der Almen nimmt immer mehr zu. Lawinen und Murenabgänge sind die Folge, usw.
Auch in Vill hat das Bauernsterben Einzug gehalten. Im Dorfkern gibt es nur mehr einen viehhaltenden Betrieb. Die Gründe dafür sind natürlich sehr vielschichtig. Krankheit des Betriebsführers, Probleme bei der Übergabe etc. In Vill gab es einmal mehr als 15 Bauern. Heute gibt es noch 7 viehhaltende Betriebe, davon nur mehr 3 Betriebe mit Milchproduktion. Der größte Betrieb ist ein Biobetrieb.
Die Landwirtschaftskammer verkündet immer wieder, die Bauern sollen sich Nischen suchen. Vill liegt auf der so genannten Schattenseite (nicht negativ gemeint), Gemüseanbau im größeren Stil wie in Arzl und Thaur ist nur schwer möglich. Eventuell Obstbau, Schafhaltung oder Hühnerhaltung wäre eine Alternative, vorausgesetzt die Rahmenbedingungen sind vorhanden.
Noch ein, nach meiner Auffassung bedenkliches Beispiel. Ich habe vor kurzem in einem Gasthaus in Innsbruck zu einem Gericht ein Glas Leitungswasser bestellt, 1/8 l, beim Bezahlen wurde dieses Achtel Liter Wasser mit € 0,35 verrechnet. Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn man für Wasser (ist ein hochwertiges Lebensmittel) bezahlen muss. Ein Liter Wasser kostet somit € 2,80. Milch ist ebenfalls ein sehr hochwertiges Lebensmittel und der Bauer bekommt ca 28 Cent/Liter, die Produktionskosten noch nicht abgezogen. Da kann doch etwas nicht stimmen!?
Agrargemeinschaft Vill
Noch ein paar klärende Worte zur Agrargemeinschaft Vill.
In Vill besteht eine sogenannte „Hauptgeteilte Agrargemeinschaft“. Das bedeutet, der Ausschuss von 1954 hat eine Hauptteilung angestrebt und auch durchgesetzt auf Basis von Verträgen mit der Stadtgemeinde Innsbruck, abgesegnet vom Land Tirol, die heute noch und hoffentlich auch in Zukunft Gültigkeit haben. Die Stadtgemeinde Innsbruck, obwohl selbst Mitglied der Agrargemeinschaft Vill, war vor ein paar Jahren der Meinung, dass diese Verträge nicht rechtens sind, hat in weiterer Folge die Agrargemeinschaft Vill geklagt und in allen Instanzen bis zum Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof verloren.
In vielen Gemeinden gibt es eine sogenannte Gemeindegutsagrargemeinschaft. Der Unterschied besteht darin, dass bei der Gemeindegutsagrargemeinschaft Grund und Holz der Gemeinde gehören, die Bauern nur ein Anrecht auf Holz für den Eigenbedarf haben. Bei der „Hauptgeteilten Agrargemeinschaft“ gehört der Grund und auch das Holz den Mitgliedern. Bis 1942 war Vill eine eigene Gemeinde.
Viller-See-Projekt
Vor kurzem hat der Seefelder Architekt Michael Prachensky in der TT das Viller-See-Projekt vorgestellt. Er hat dieses Projekt auch schon der Frau Bürgermeisterin Oppitz-Plörer vorgestellt, ohne vorher mit dem Unterausschuss Vill und den Grundbesitzern gesprochen zu haben.
Er plant auch eine Therme auf dem Grund der Agrargemeinschaft, ohne vorher mit der Agrargemeinschaft geredet zu haben. Diese Therme soll mit warmen Thermalwasser aus einem Tiefbrunnen in der Brennergegend und einer Rohrleitung durch den Brennerbasistunnel gespeist werden. Der See hätte eine Größe von ca. 11 ha (10mal so groß wie der Lanser See) und würde ebenfalls mit warmen Thermalwasser versorgt werden, sodass ein beinahe ganzjähriger Betrieb möglich wäre. Der Grund würde von noch einer zu gründenden Gesellschaft von den Bauern gepachtet werden.
So ein ähnliches Projekt wurde schon vor einigen Jahrzehnten vom Fremdenverkehrsverband Igls (Obmann Fred Beck) angedacht und von den Viller Bauern abgelehnt. Auch heute ist es so, dass – nach meinem Wissensstand – dieses Projekt von den Viller Bauern eher abgelehnt wird. Die Stadtgemeinde Innsbruck ist ebenfalls Eigentümerin von Flächen im Bereich „Viller See“. Dies sind Flächen, die bis 1942 der Gemeinde Vill gehört haben. Zwischen 1804 und 1806 wurde der Viller See von den Bauern von Vill vom Stift Wilten gekauft. Bis 1934 wurde mit einem großen Pflug aus Rotholz, der von einer Raupe gezogen wurde, umgepflügt und Grassamen gesät. Zur Entwässerung wurden mehrere Gräben gezogen. Jeder praktizierende Bauer von Vill ist auf diese Flächen im Bereich „Viller See“ angewiesen. Die Verwirklichung dieses Projekts wäre wohl ein massiver Einschnitt in die Natur und würde auch eine Veränderung des Klimas in dieser Gegend bedeuten.
Ich habe aber von verschiedenen Menschen (Nichtbauern) gehört, dass eine Therme eine enorme Bereicherung für Innsbruck wäre!?
Man darf eines nicht vergessen, dass der Bereich Bachgang – Viller See ein wunderbares Erholungsgebiet auch für Menschen aus der nahen Stadt Innsbruck darstellt und auch deshalb dieses angedachte Projekt „Viller See“ wohl nicht die uneingeschränkte Zustimmung der Bevölkerung finden würde.
Aber was ist, wenn es in 15, 20 oder 30 Jahren auch in Vill keinen Bauern mehr gibt wie in vielen Gemeinden in Deutschland??